Da war ein neues Virus: SARS-CoV-2. Dann kam es doch hier in Europa an. Und die Arbeit im stationären Erwachsenenhospiz war von einem Tag auf den anderen völlig anders. Mitte März: Lockdown in Deutschland. Im Hospiz – ein Haus der offenen Türen – mussten die Türen zum ersten Mal seit Bestehen geschlossen werden – zum Schutz der Gäste und der Mitarbeiter*innen und zum Schutz unserer Arbeit, damit diese weiterhin gelingen durfte. Wir konnten pro Gast zwei Besucher*innen zulassen, in Ausnahmen auch mehr. So konnte sich eine Mutter von drei Kindern auch in dieser Zeit von ihrer Familie verabschieden. Menschliche Wärme mit den notwendigen Abstandsregeln und Mund-Nasenschutz-Masken in Einklang zu bringen, stellte eine neue Herausforderung dar. Auch die Mitarbeiter*innen untereinander mussten sich an diese Regeln halten: Begrüßungen ohne Umarmung oder Handschlag, Stationsbesprechungen und Supervisionen im neuen digitalen Format. Plötzlich war alles anders, was bisher ganz selbstverständlich und über die Jahre eingespielt war.
Die Hospiz-Leitungen waren noch länger als sonst vor Ort, und der rote „Corona-Ordner“ wurde eingeführt – mit allen aktuellen Hinweisen, Verordnungen und Arbeitsanweisungen. Anfangs gab es fast täglich neue Regeln und Auflagen. Das war die Zeit, als der Kampf ums Klopapier begann, und ich ein neues Wort lernte: „systemrelevant“. Die Anfragen der Menschen aus der Häuslichkeit und aus den Kliniken nahm stark zu. Die Station war immer voll belegt. Wir arbeiteten in getrennten Tams, um die Versorgung unserer Gäste Im Falle eines Falles stets aufrecht erhalten zu können.
Belastend für unsere Gäste und für uns war, dass alle neu aufgenommenen Gäste zunächst zwei Wochen lang isoliert werden mussten und sie deshalb von uns in voller Schutzausrüstung mit Handschuhen, Mund-Nasenschutz-Maske, Schutzkittel und –brille betreut werden mussten. Der Mund-Nasenschutz erschwert das Ablesen vom Mund, die Mimik des Gegenübers ist nur eingeschränkt erkennbar – das erschwert die Kommunikation schon sehr. Die Pflege in dieser Zeit war durch die Schutzausrüstung körperlich sehr anstrengend.
Bei all dem Anstrengenden gab es immer wieder auch schöne und lustige Situationen. Da spielten die Menschen mit Handschuhen, Kittel und Mundschutz Skat miteinander, ganze Familien trafen sich mit 2 m Abstand im Garten. Wenn ein Verlassen des Zimmers nicht mehr möglich war, wurde auch mal das Bett ans Fenster gefahren, damit die Angehörigen sich zuwinken konnten.
Als bei den Masken und Desinfektionsmitteln ein Engpass drohte, bekamen wir von außen viele selbst genähte Masken, die wir auch dankbar annahmen. Da hatten wir dann die Wahl zwischen Masken aus Stoffen mit Kirschen, Melonen, Einhörnern oder schlicht kariert oder uni. Ein Arzt aus Leonberg organisierte mit seiner Familie und seinen Freund*innen Schutzausrüstung für uns. Alle Spenden – egal ob selbst genäht, organisiert oder gekauft waren und sind für uns eine riesige Unterstützung. So konnten wir die Erwachsenenstation trotz der schwierigen Situation in den vergangenen Wochen immer voll belegen. Auch dem Team des Kinder- und Jugendhospizes sowie den ambulanten Bereichen war es deshalb möglich, Menschen, die unsere Unterstützung brauchen, unter Einhaltung der erforderlichen Schutzmaßnahmen gut zu begleiten. Wir sind überwältigt von der großen Anteilnahme und Hilfe und möchten uns hiermit im Namen aller Gäste, Angehörigen, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des HOSPIZ STUTTGART ganz herzlich bedanken.
Nach einem knappen halben Jahr ist so etwas wie Routine eingekehrt. Die Türen des Hauses bleiben weiterhin geschlossen und unsere Arbeit erfolgt noch immer mit Mundschutz. Seit Juli können Gäste mit zwei negativen Abstrichen aufgenommen werden, ohne isoliert zu werden. Das ist eine unvorstellbare Erleichterung für unsere Gäste und für uns. Wir wissen nun nicht, was die Wintermonate bringen, aber wir werden sicher noch einige Zeit mit der Pandemie und den Einschränkungen leben müssen – wir machen das Beste daraus.
Anita Schuck Stationäres Erwachsenenhospiz
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