Herr Müller litt an einer Leberzirrhose im Endstadium. Er hatte eine sehr schwere Kindheit mit wenig Anerkennung von Seiten seines Vaters. Seine Mutter war früh verstorben und er verbrachte viele Jahre seiner Kinder- und Jugendzeit in verschiedenen Heimen. Nach dem Hauptschulabschluss arbeitete er in unterschiedlichen Berufen, die aber alle körperlich sehr anstrengend waren. Nun ist er am Ende eines schweren Lebensweges angekommen – sein Körper und sein Geist wollen nicht mehr.
Seit ein paar Jahren lebt er mit seiner Freundin Frau Berger zusammen. Beide hatten sich spät kennen und lieben gelernt. Nun versorgt sie ihn mit Hilfe der Diakoniestation rund um die Uhr. Das Paar ist finanziell sehr schlecht gestellt und der Rest des Pflegegeldes, das nach dem Abzug der Kosten für den Pflegedienst noch bleibt, ist eine wichtige Einnahmequelle. Aufgrund der längeren Pflegesituation und der schwierigen Gesamtsituation war Frau Berger erschöpft und überfordert. Die Diakoniestation hatte Kontakt aufgenommen und um weitere Unterstützung für das Paar gebeten, so dass eine Mitarbeiterin des Ambulanten Hospizdienstes einen Erstbesuch mit Frau Berger für den nächsten Tag vereinbarte.
Als unsere Mitarbeiterin zum Hausbesuch kam, erzählte Frau Berger, dass es Herrn Müller in den letzten Tagen zunehmend schlechter ging. Er war kaum noch ansprechbar, er aß und trank nicht mehr. Sein Bett, das er so gut wie nicht mehr verlassen konnte, stand in einer dunklen Kammer, da die Wohnung wenig Raum bot. Frau Berger war mit der Gesamtsituation, d.h. der schweren Krankheit kurz vor dem Tod und den finanziellen Problemen überfordert. Durch die Überlastung konnte sie ihre Pflegeaufgaben kaum noch übernehmen. Herr Müller war ebenfalls durch die Situation und die teils unzureichende Pflege zermürbt. Er sagte klar, dass er nicht mehr könne und in ein Heim möchte.
Wir unterstützten Herrn Müller in mehrfacher Weise. Zunächst fanden wir eine Ehrenamtliche, die durch zugewandte und intensive Gespräche Frau Berger unterstützte. Frau Berger fühlte sich mit ihren Sorgen und Ängsten ernst genommen. In den Gesprächen wurde gemeinsam überlegt, was Frau Berger helfen könnte, und damit wurde die Situation etwas leichter.
Unsere Palliative-Care-Fachkraft zeigte Frau Berger manch hilfreichen Handgriff in der Versorgung ihres Lebensgefährten, gab Tipps zur Körperpflege und vereinbarte mit dem Hausarzt eine Anpassung der Medikation, um Herrn Müller die belastenden Symptome zu nehmen. Alles rund um Pflegegeld und andere Unterstützungsmöglichkeiten wurde besprochen, so dass es sich auch finanziell etwas entspannte. Beim Pflegedienst konnte ein etwas anderer Pflegerhythmus angeregt werden, so dass es insgesamt für Frau Berger leichter war, Herrn Müller zu versorgen. Und nicht zuletzt beriet unsere Palliative-Care-Fachkraft, wie man die Wohnung umgestalten könnte, damit das Pflegebett im Wohnzimmer Platz fand und Herr Müller damit die dunkle Kammer verlassen konnte. Gesagt – getan: Herr Müller nahm damit wieder mehr am gemeinsamen Leben teil.
Nach diesen Maßnahmen entspannte sich die Situation und Herr Müller entschied sich, doch zu Hause zu bleiben. Auch Frau Berger hatte Zutrauen gewonnen, ihn weiter zu begleiten und zu versorgen. Herr Müller feierte im Juli noch gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin, dem Kater Benni und der Ehrenamtlichen seinen Geburtstag. Anfang August verstarb er zu Hause in den Armen seiner Freundin. Frau Berger fand Trost darin, dass er zu Hause bei ihr sterben konnte.
Die Ehrenamtliche übernahm die Trauernachsorge und hielt noch einige Zeit Kontakt mit Frau Berger.
Dr. Christine Pfeffer, Leiterin Ambulantes Erwachsenhospiz
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