Die Trauer um einen geliebten Menschen ist für viele Trauernde eine schwere Lebenskrise: Es ist eine Ausnahmesituation, in der das Leben jede Sicherheit verloren zu haben scheint, in der Menschen von tiefem emotionalen Schmerz überflutet werden und die Kraft zum Leben zu fehlen scheint. Oft gelten Lebensentwürfe nicht mehr und Trauernde fragen verzweifelt: Wie soll ich weiterleben ohne diesen geliebten Menschen? Was hat mein Leben noch für einen Sinn?
Die Corona-Krise trifft uns alle, aber insbesondere die Trauernden: Abschiednehmen ist durch Kontaktbeschränkungen erschwert, Beerdigungen sind nur in eingeschränktem Rahmen möglich und es gibt nur einen Trost auf Abstand: Ohne in den Arm genommen zu werden, ohne vielleicht an einer anderen Schulter weinen zu dürfen. Besuche durch andere Angehörige oder Freunde sind kaum möglich, Einsamkeit wird damit doppelt schwer. Insbesondere alleine lebende Menschen sind nur noch auf sich selbst und ihre Trauer geworfen, hilfreiche andere Strukturen sind derzeit nicht greifbar. Auch manche kurzfristige Ablenkung durch Sport im Verein, Theater oder ein Kaffeetrinken mit Freunden sind nicht möglich. Zudem potenzieren sich die Verunsicherung durch den Verlust und die Verunsicherung durch Corona geradezu: Wo kann es noch Halt geben?
Seit vielen Jahren spüren wir in der Trauerarbeit für Erwachsene eine kontinuierliche Zunahme der Anfragen nach Unterstützung in Trauer – in Zeiten von Corona noch stärker als sonst. Wir haben deshalb die Trauerbegleitung aufrechterhalten und sogar noch erweitert. Zunächst in telefonischer Einzelbegleitung, aber sobald es möglich war, begannen auch die Trauergruppen wieder. Die Trauergruppen waren allerdings in Windeseile gefüllt und die Anfragen strömten weiter auf uns ein. Deshalb richteten wir noch eine offene Trauergruppe und zwei Kreativ-Workshops ein: Eine Trauerwerkstatt für Männer mit der Möglichkeit, ihre Trauer buchstäblich handwerklich „zu bearbeiten“, und einen Kreativworkshop, der einen künstlerischen Zugang zur Trauer bot. Daneben bot Wandern für Trauernde die Möglichkeit, sich auch in der Trauer auf einen neuen Weg zu machen.
Die Dankbarkeit der Trauernden, die sich gerade in Zeiten von Corona noch einsamer fühlen als ohnehin, zeigt uns, wie wichtig diese Angebote sind. Trauerbegleitung ist eine Begleitung ins Leben zurück – ein anderes Leben zwar als es vor dem Verlust des geliebten Menschen war, aber doch hoffentlich ein Leben mit Zuversicht.
Dr. Christine Pfeffer
Leitung Ambulanter Hospizdienst für Erwachsene – Begleitung zu Hause
Leitung Trauerbereich für Erwachsene
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